Berichte Anlässe 2020
17. Januar 2020 - Besuch der Hutfabrik Risa
Der Frauenbund Kleindöttingen ist auf der Hut, wenn es um den Hut geht
Am Freitagnachmittag fuhren 24 Frauen ins Freiamt, um eine scheinbar unscheinbare Werkstatt zu besichtigen, nämlich die Firma Risa in Hägglingen. Was sie aber schon zu Beginn der Führung mit Julian Huber erfuhren, das verriet einwandfrei: Hier ist keine unscheinbare Werkstatt irgendwo im Nirgendwo.
Aber zuerst einmal ganz von vorne. Julian Huber, der Geschäftsinhaber der Firma Risa, empfing die gesandten Damen aus dem Unteren Aaretal mit Hut, farblich passend zur Kleidung bereits auf der Strasse. Nicht in Anzug und Krawatte präsentierte er sich, nein, er trug ein beige-braun-schwarz kariertes Hemd, Jeans und einen braunen Hut, der sich wirklich an die Farbe des rötlich-braunen Bart des jungen Mannes anpasste. Unter der Krempe blitzten ein paar braune Augen fröhlich hinter der Hornbrille hervor. Und das soll der Chef dieser Firma sein? Mag sich so manche gewundert haben.
Schon in der Eingangshalle und im Treppenauf- sowie -abgang lächelten in Postergrössen Menschen mit den unterschiedlichsten Hüten auf den Köpfen von den Wänden herab. Es waren keine typischen Models in illustren-schillernden Luxuskleidern, sondern Menschen wie du und ich: Junge, Senioren, Seniorinnen, der Inhaber selbst und noch viele mehr. An der Wand zwischen zwei grauen Doppeltüren hing eine alte Stempeluhr und ein Gestell für die Stempelkarten der Angestellten. Kurzum es wirkte, als wäre hier die Zeit stehen geblieben. Und Julian Huber begann zu erzählen, wie alles begann.
Die Frauen erfuhren also, dass Wohlen im 19. Jahrhundert mal als Kleinparis bekannt war. Die Strohproduktion für die Strohhüte florierte und Wohlen wurde nach Paris und Mailand im gleichen Atemzug genannt. Anfangs der 30er Jahre des 20. Jahrhundert übernahm ein gewisser Martin Richner und Joseph Sax (der Grossvater des Firmeninhabers) die Strohhutwerkstatt, aus den 2 Nachnamen entstand der Name Risa. Während der Kriegszeit war Kreativität gefragt, so wurden weniger Hüte gefertigt, dafür praktischerweise Früchte und Kartoffeln getrocknet und mit einer umfunktionierten Teigmaschine Knöpfe hergestellt. Heute werden hier hauptsächlich Hüte produziert und das wollten die Frauen mit eigenen Augen sehen.
Zuerst ging es in den Keller. Dieser Raum wird liebevoll der Stumpenkeller genannt. Keine Sorge, hier werden keine Zigarren verkauft und konsumiert. Hier werden die Stumpen, nämlich die Rohfassung der Hüte (die Stumpe) aufbewahrt. Die Luftfeuchtigkeit und kühle Temperaturen sind ideal, damit der Filz wie auch das Stroh und die Fasern des palmenartigen Scheibenblumengewächs nicht austrocknen und brüchig werden. Hier hätte man Stunden verweilen können, waren doch die Filzarten aus unterschiedlichen Haaren von Tieren gemacht. Der Schönste, Feinste und Leichteste ist wohl der Biberfilz und somit auch einer der teuren Sorte. Gemäss Julian Huber wird in Kanada für die Hutproduktion hauptsächlich Biberhaar benutzt, in Europa hingegen kommen andere eher Kaninchenhaar. Die Risa produziert selbst keinen Filz, er wird eingekauft. Auch das Stroh muss aus dem Ausland zugeführt werden, ist doch das Freiamt schon seit vielen Jahren nicht mehr in der Strohproduktion tätig. Es wird aus Asien wie auch aus Italien importiert. Der berühmte Panama-Hut, aus Fasern der Palmenpflanze von Hand hergestellt, stammt aus Ecuador. Denn nur hier wächst diese einzigartige Pflanze.
Zurück aus dem Keller geht’s in die erste Werkstatt. Hier werden die Stumpen gedampft, in die Form gezogen und über einen Holzkopf gestülpt. Anschliessend geht’s in die Trocknung. Hier wird genäht, zurechtgeschnitten, die Krempe gebildet und im nächsten Raum der «Feinschliff» gemacht. Zum Schluss landet der fertige Hut bei einer Dame, die den Hut mit der perfekten Dekoration (Schleifen, Seidenband, Feedern) verschönert. Alles Handarbeit. Die Maschinen, die in den zwei Werkstatträumen stehen, sind z.T. hundert Jahre alt und wurden von Julian Hubers Grossvater gekauft. Da der jetzige Inhaber Werkzeugmacher gelernt hat, kann er die Maschinen so weit es geht in Stand halten. Denn Ersatzteile zu bekommen, sind äusserst schwierig, sind doch viele Fabriken, die diese Maschinen produziert haben, schon lange zugegangen. Also ist neben der Filzverarbeitung zum Hut die tägliche Herausforderung, herauszufinden, was jedes einzelne Gerät benötigt, wenn mal eine Kinderkrankheit im Anzug ist. Die neueste Maschine in diesen Räumen ist wohl die Kaffeemaschine, schmunzelte eine der Frauen. Treffend bemerkt. Man fühlte sich wie in einem Museum und wurde beinahe magnetisch angezogen von der Vielfalt der Nähmaschinen. Kurzum, es war eine Augenweide.
Zum Schluss der Führung wurden die Frauen in die Verkaufsabteilung im ersten Stock geleitet. Und dann konnte niemand und nichts mehr die Frauen halten. Es wurden Hüte anprobiert, im Spiegel begutachtet und fotografiert. Niemand genierte sich und genoss die Komplimente. Nach dem feinen Apéro durften die Frauen natürlich mit Hut fürs Gruppenfoto posieren.
Bericht: Patricia Dal Monte